Eine kleine Familien- und Dorfgeschichte Der Vater schrieb sein letzten Brief,
Er muss fürs Vaterland in Krieg.
Ich weiß und fühl das ist mein Tod,
Und auch ihr alle kommt in Not.
Saratow war ein schöner Ort,
Auf einmal war der Hunger dort.
Sie waren gezwungen den Ort zu lassen,
Und auf den lieben Gott verlassen.
Da war sehr groß die Hungersnot,
Das war oft schlimmer als der Tod.
Da kamen sie zu einem Schluß,
Obwohl es war ein bittres Muß.
Jetzt die Bekannte und Verwandte,
Suchen all nach etwas Land.
Sie fahren ab bei große Kälte,
Der Weg war ihnen unbekannt.
War nichts zu reißen und zu beißen,
Alle Taschen waren leer.
Sie waren all schon an verkeisen,
Obwohl zu ändern war nichts mehr.
Die Mutter starb mit Hungerschreie,
Am nächsten Tag war Schwesters Reihe.
Die beiden sind im Schnee begraben,
Ihr Leichen holen dann die Raben.
Pferde warens nur noch acht,
Weil sie fuhren Tag und Nacht.
Sie konnten weit und breit nichts sehen,
Als nur den Himmel und den Schnee.
Die Fuhren kamen von den Wegen,
Sґwar gut die Hilfe kam entgegen.
Sie bringen mit Klamotten, Essen,
Ja, so was kann man nicht vergessen.
Nicht alle kamen an das Ziel,
Von der Kält und Hunger starben viel.
Endlich kamen sie dorthie,
Es hat geheißen Kargandie.
Ihr erstes Dorf "Altgnadenreich",
Später war es wirklich reich.
Auf einmal kam die Obrigkeit,
Und sagt: liebe Leut für euch istґs Zeit.
Auf dem Platz wo jetzt das Dorf hier steht,
Wird bald ja der "Karlag" entstehen.
Da mussten sie alle weg sofort,
Zu suchen nach einem anderen Ort.
Der nächste Ort heißt jetzt "Norinsk",
Gebaut wird hier vor allerdings.
Sie bauen Häuser und auch Straßen,
Im Stall stehen Kühe, sogar auch Kaßen.
Auf einmal heißts ihr müsst hier weg,
Euch länger lassen hat kein Zweck.
Hier gibt’s ein großen Baggersee,
Und wir wollen euch auch nicht mehr sehen.
Da müssen sie von hier auch fort,
Etwas höher nach dem Nord.
Sie suchen Land und finden bald,
Ein Platz der ihren wirklich gefallt.
Hier ist viel Stepp und auch ein Fluß,
Wo damals überhaupt kein wußt.
Hier schaffen alle wer was kann,
Und legen hier ein Dorf jetzt an.
Hier gabs "Baracken" glaub ich vier,
Die Russen waren vor uns hier.
Da wohnen Sumins, Stüra und Grinjov,
Der Paschke und Kalischnikow.
Gebaut das Haus hat ja mein Vater,
Die Heizung war: das Stroh und Platter.
Hier konnt man sähen Korn und Weiz,
Da gibt’s ein Dorf das "Telman" heißt.
Im Frühjahr wird gepflügt und gґsät,
Im Sommer grünes Heu gemäht.
Im Herbst war alles schön geernt
Die Kinder in der Schul gelernt.
Da fängt der zweite Weltkrieg an
Die Leute haben Angst und Bang.
Die Männer waren in "Trud-Armee"
Ihr Frauen mussten ackern und säen.
In Mitte Winter in der Kält
Waren die Frauen auf dem Feld.
Sie machen hier den Schneefang
Der Tag scheint eine Woche lang.
Von Kälte warґs Gesicht ganz weiß
Der Spatenstiel war kalt wie Eis.
Der Fuß wußt nix von warmen Schuh
Da war keine Red von etwas Ruh.
Zur Arbeit ging es nur zu Fuß,
Weil damals gabs noch kein Bus.
Morgens gehen sie früh ab
Sie müssen doch nach "Pugeltack".
Die Frauen konnten alles machen.
Sie flickten, stopften alte Sachen.
Damals war kein Weiz zu mahlen
Sie essen die Kartoffelschalen.
Sie ziehen ihre Kinder groß
Bei Hunger und auch oftmals bloß.
Die Hoffnung war noch, irgendwann
Kommt doch nach Haus der liebe Mann.
Zurück sind kommen weit nicht alle.
Da gabґs schon wieder eine neue Falle.
Im Dorf sitzt jetzt der "Kommandant"
Und hat ja jeden in der Hand.
Endlich war der Stalin tot
Die Leute kamen aus der Not.
Da war nicht mehr der Butterplan
Wir tunkenґs Brot jetzt selbst in Rahm.
Jetzt kam Nikita in ZKa
Er sagt: "Wir beherrschen bald die Zelina"
Da hat die "PRAWDA" gleich geschrieben
Chruschow fängt an mit Mais und Rüben.
Im 64 kam Breschnew dran
Mit seinen großen Augenbrauen.
Jetzt leben Leute ja schon toll
Sie haben all die Ambar voll.
Jeder hat sein großen Garten
Im Frühjahr hat er ihn gespaten.
Alles hat er selbst gesteckt
Drum hat es auch so gut geschmeckt.
Da gab es Obst und Stachelbeeren
Am Morgen Rahm mit Schwarzebeeren.
Zum trinken war der Limonad
Dort war man immer fit und satt.
Der nächste war der Gorbatschow
Er ist noch "klüger" als Chruschow.
Die Trauben reißt er aus die Wurzel
In Krim stehn heute nur paar Storzel.
Da sagt der Kohl und Mischa bald
Wir glauben jetzt, die Wand die fällt.
Zwischen Ost und West gibtґs keine Mauer.
Seit dem geht es in Russland sauer.
Da fangen wir das wandern an
So schnell wie möglich jeder kann.
Es geht jetzt in die Botschaft hin
Sie stellen uns das Visum nin.
Oft schlaf ich nicht, und frage mich
Warum lassen wir jetzt alles im Stich?
Haus und Hof, Vieh und Felder
Und auf dem Friedhof die lieben Eltern.
Wir fahren all nach Deutschland gleich
Als wär das Land ein Himmelreich.
Obwohl der West war sehr dagegen
Sie müssen uns doch etwas geben.
Das glaubt doch damals keiner
Das wir sind wie Zigeuner.
Hätten wir noch Namen "Budulei"
Dann wären wir wirklich einerlei.
Wir sind jetzt all in diesem Land
Zerstreut wie Saat aufs Ackerland.
Einsam istґs für alte Leute
Was sollen sie denn machen heute.
Der Sohn fährt hier den neuen Vento
Das Geld geht doch von Elters Rente.
So tragen viele hier den Schmerz
In ihrem alten, kranken Herz.
Die Meisten kaufen nur den Quark
Sie sammeln doch die Deutsche Mark.
Da wird gerechnet ganz genau
Sie sind doch all verrückt aufs Bau.
Manche bekommen Sozial
Die haben keine andre Wahl.
Sie machen Arbeit für zwei Mark
Und kaufen das, war reduziert ist stark.
ґS gibt Leute ohne Arbeitsplatz
Drum machen sie hier alles Schwarz.
Die Eine putzt, die Andre kehrt
Das ist ja immer schon was wert.
Wir treffen uns noch ab und zu
Wenn jemand schließt die Augen zu.
Danach gibtґs viel Erinnerung
Von dieser großen Beerdigung.
Warum dass wir soґn Schicksal haben
Das kann der liebe Gott nur sagen.
Drum wird nicht müd das Kreuz zu tragen
Dass du es dort mal gut wirst haben.
Ich hab gelesen in einem Buch
Ein kleiner und ein wahrer Spruch.
Das sagen heute auch die Alten
Mann soll sich immer da dran halten:
Vergiss nie die Heimat
Wo deine Wiege stand,
Du findest in der Fremde
Kein zweites Heimatland.
MELSBACH, den 17.12.98 • Viktor Guwa
стих со страницы
http://www.nowodolinka.de/gedichte.htm